Aktuelle Entscheidungen im Arbeitsrecht
Erschütterung des Beweiswerts eines Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Grundsätzlich haben ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einen hohen Beweiswert, doch hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 08.09.2021 (Az. 5 AZR 149/21) entschieden, dass der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insbesondere dann erschüttert sein kann, wenn ein Arbeitnehmer kündigt und am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben wird und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit genau der Kündigungsfrist entspricht.
Bei Erschütterung des Beweiswerts entfällt schließlich der Anspruch des Arbeitnehmers auf Entgeltfortzahlung im vermeintlichen Krankheitsfall.
-----
Kürzung des Urlaubsanspruchs bei Arbeitnehmern in Elternzeit
Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis und es entsteht ein Urlaubsanspruch. Jedoch kann ein Arbeitgeber gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) dem Arbeitnehmer den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Von dieser Möglichkeit muss jedoch aktiv Gebrauch gemacht werden. Ansonsten muss der während der Elternzeit anfallende Urlaub nach der Elternzeit gewährt oder – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – finanziell abgegolten werden.
Die Kürzung des Urlaubsanspruchs kann frühestens mit der Inanspruchnahme der Elternzeit und nur während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses erklärt werden. Eine bereits im Arbeitsvertrag aufgenommene Regelung ist nicht gültig. Die Erklärung muss eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung sein, die zwar konkludent oder stillschweigend erfolgen kann, jedoch aufgrund von Beweiszwecken unbedingt schriftlich erfolgen sollte.
-----
Urlaubsansprüche verjähren erst nach Erfüllung von Hinweispflichten durch Arbeitgeber
Der gesetzliche Urlaubsanspruch unterliegt der dreijährigen Verjährung. Allerdings beginnt diese Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen noch bestehenden Resturlaub und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch nicht genommen hat. Versäumt der Arbeitgeber den Hinweis auf den Resturlaubsanspruch und den drohenden Verfall des Urlaubs geht der nicht genommene Urlaub auf das Folgejahr über. Der so übergegangene Urlaub muss nicht bis 31.03. des Folgejahres genommen werden, vielmehr erhöht er den Jahresurlaub des Folgejahres entsprechend.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.12.2022 - Az. 9 AZR 266/20
-----
Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13.09.2022 entschieden, dass Arbeitgeber eine grundsätzliche Zeiterfassungspflicht trifft. Arbeitgeber müssen Beginn, Dauer und Ende der Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter erfassen, einschließlich Überstunden und Pausenzeiten. Die erhobenen Daten sind so zu erfassen, dass eine Kontrolle durch die zuständigen Behörden möglich ist. Bislang sind jedoch noch viele Einzelfragen ungeklärt. Gesetzliche Regelungen existieren noch nicht, dennoch besteht die Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit der Mitarbeiter bereits seit dem Beschluss des BAG.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.09.2022 - Az. 1 ABR 22/21
-----
Arbeitnehmer müssen Überstunden beweisen
Der Arbeitgeber hat Überstunden nur dann zu vergüten, wenn er sie angeordnet oder gebilligt hat. Machen Arbeitnehmer Überstundenvergütung geltend, müssen sie beweisen, dass sie die Überstunden tatsächlich geleistet haben und darlegen, dass der Arbeitgeber die erbrachten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat. Hieran ändert laut BAG auch dessen Beschluss zur Pflicht der Arbeitgeber, die Arbeitszeit der Arbeitnehmer zu erfassen, nichts.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.05.2022, Az. 5 AZR 359/21
-----
Rückzahlung von Fortbildungskosten
Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer zur Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten verpflichten, unterliegen der Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB. Hiernach ist eine Rückzahlungsklausel nur dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Aus- oder Fortbildung einen geldwerten Vorteil hat, und er nicht unangemessen lange an das Arbeitsverhältnis gebunden wird. Die zulässige Bindungsdauer richtet sich nach dem Einzelfall. Im entschiedenen Fall wäre eine Bindungsdauer von 2 Jahren zulässig gewesen. Die konkret vereinbarte Bindungsdauer von 5 Jahren hat zur vollständigen Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel geführt. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt (BAG, Urteil vom 14.01.2009 - 3 AZR 900/07).
-----
Ausschlussfrist bei „Altverträgen“
Eine Ausschlussfrist von zwei Monaten, die in einem vor dem 01.01.2002 geschlossenen Arbeitsvertrag enthalten ist, ist ersatzlos unwirksam (BAG, Urteil vom 28.11.2007, 5 AZR 992/02).
-----
Befristung von Arbeitsverträgen gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz
Auf § 14 Abs. 1 Nr. 2 TzBfG kann nur die Befristung des ersten Arbeitsvertrags gestützt werden, den der Arbeitnehmer im Anschluss an seine Ausbildung oder sein Studium abschließt. Eine Vertragsverlängerung ist mit dem in dieser Vorschrift normierten Sachgrund nicht möglich (BAG, Urteil vom 10.10.2007, 7 AZR 795/06).
-----
Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage
Der formularmäßige Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage stellt ohne kompensatorische Gegenleistung des Arbeitgebers eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 BGB dar (BAG, Urteil vom 06.09.2007, 2 AZR 722/02).
-----
Vorformulierte Vertragsstrafenvereinbarungen
Formularmäßige Vertragsstrafenabreden, die eine Vertragsstrafe sowohl für jeden Fall der Zuwiderhandlung als auch für eine dauerhafte Verletzung eines Wettbewerbsverbots vorsehen, ohne diese Begriffe näher zu definieren, sind unwirksam (BAG, Urteil vom 14.08.2007, 8 AZR 973/06).
-----
Reduzierung der Arbeitszeit nach § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz
Wird der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit nach § 8 TzBfG geltend gemacht, so trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dem Teilzeitbegehren betriebliche Gründe entgegen stehen (BAG, Urteil vom 08.05.2007, 9 AZR 1112/06).
-----
Schriftformerfordernis nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz
Die Befristung eines Arbeitsvertrags ist im Hinblick auf das Schriftformerfordernis gemäß § 14 Abs. 4 TzBfG nur bei Unterzeichnung beider Vertragspartner auf ein und derselben Urkunde wirksam (BAG, Urteil vom 26.07.2006 - 7 AZR 514/05).
-----
Reduzierung der Arbeitszeit während der Elternzeit
Der Antrag, die Arbeitszeit während der Elternzeit zu verringern, kann frühestens mit der Erklärung, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, gestellt werden (BAG, Urteil vom 05.06.2007, 9 AZR 82/07).