Aktuelle Entscheidungen im Medizinrecht
Zulassungsausschuss für Ärzte in Stuttgart ändert Spruchpraxis zur Überleitung von Anstellungsgenehmigungen auf ein MVZ
In einem Beschluss von Ende März 2023 hat der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Regierungsbezirk Stuttgart entschieden, dass die für einen Vertragsarzt bestehende Anstellungsgenehmigung bei dessen Zulassungsverzicht zum Zweck seiner Anstellung in einem MVZ in Folge des Verzichts „im Huckepack mit auf das Medizinische Versorgungszentrum übergeht“.
Im Gegensatz hierzu hatte der Zulassungsausschuss in der Vergangenheit konsequent die Auffassung vertreten, dass die einem zugelassenen Vertragsarzt erteilte Anstellungsgenehmigung bei dessen Zulassungsverzicht untergeht, es sei denn, die Anstellungsgenehmigung wird vor dem Wirksamwerden des Zulassungsverzichts in eine Zulassung zu Gunsten der/des Angestellten umgewandelt und sodann von dieser/diesem für einen gewissen Zeitraum aktiv ausgefüllt.
Die „Huckepack-Lösung“, die bisher bereits in anderen KV-Bezirken von den dortigen Zulassungsausschüssen praktiziert wurde, wird nun auch vom Zulassungsausschuss für Ärzte für den Regierungsbezirk Stuttgart angewandt und wird voraussichtlich zukünftig auch von den anderen Zulassungsausschüssen im Bereich der KV Baden-Württemberg angewandt.
Planlose Vertragsselbstgestaltung kann zur Zulassungsentziehung führen
Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21.09.2022 (L 7 KA 4/20) muss ein Vertragszahnarzt
bei Gründung einer Kooperation (hier einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft) ausreichenden juristischen
Sachverstand einholen. Schafft der Vertragszahnarzt eine widersprüchliche Vertragslage auf dem Gebiet der
privatrechtlichen Vertragsgestaltung ohne Hinzuziehung sachkundiger juristischer Unterstützung, verletzt er seine
vertragszahnärztlichen Sorgfaltspflichten, die ihm hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gewählten Kooperationsform
obliegen.
Eine entsprechende Pflichtverletzung begeht nach Auffassung des Gerichts, wer „diffus“ „laienhaft“ und „planlos“ für Dritte (Behörden, Gerichte) unübersichtliche und widersprüchliche Verträge maßgeblich konzipiert und dadurch die Prüfung, ob die Kooperation rechtmäßig ist, erschwert. Ist insoweit von einer groben Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten auszugehen, kann dies zur Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung führen.
Die Entscheidung sollte nicht nur von Vertragszahnärzten, sondern unbedingt auch von Vertragsärzten beachtet werden.
Nachrangige Berücksichtigung von MVZ im Zulassungsverfahren
Ist in einem Zulassungsverfahren eine Auswahl zwischen gleichwertigen Bewerbern zu treffen und handelt es sich bei
den Bewerbern um einen freiberuflichen tätigen Arzt und ein mehrheitlich von Kapitalinvestoren geführtes MVZ, ist
nach Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (Urteil vom 14.09.2022 – L 12 KA 35/21) das MVZ nachrangig zu
berücksichtigen. In den Urteilsgründen stützt sich das LSG Bayern auf die entsprechende Anwendung von § 103 Abs. 4 c
S. 3 SGB V.
Versehentliches Versenden von medizinischen Daten kann zu Schadensersatz führen
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 20.01.2023 – 11 U 88/22) stellt der rechtswidrige Versand
medizinischer Gesundheitsdaten an einen falschen Adressaten einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung dar
und kann zu Schadensersatzansprüchen führen.
Werbung mit garantiertem Behandlungserfolg
Wird mit Werbeaussagen der Eindruck erweckt, eine bestimmte zahnärztliche Behandlung gewährleiste einen sicheren
Behandlungserfolg, kann dies einen Verstoß gegen § 3 Nr. 2 a des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des
Heilwesens (HWG) darstellen. Diese Auffassung begründet das Landgericht Bochum in einem Urteil vom 04.04.2023, Az.
14 O 113/22, mit dem Hinweis darauf, dass der Erfolg einer zahnärztlichen Behandlung von vielerlei Faktoren abhängt.
Die Entscheidung kann auch auf Werbung für ärztliche Behandlungen übertragen werden.
Unzulässigkeit von Werbung für Videosprechstunde
Nach einem Urteil des Oberlandgerichts Karlsruhe vom 22.12.2022, Az. 4 U 262/22, darf in einer Werbung für
Videosprechstunden nicht der falsche Eindruck erweckt werden, eine Videosprechstunde könne immer und nicht nur bei
bestimmten, eng begrenzten Indikationen in Anspruch genommen werden.
Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) tritt am 01.01.2024 in Kraft
Das MoPeG bringt grundlegende Änderungen des Personengesellschaftsrechts mit sich. Da viele Arzt- und Zahnarztpraxen
sowie ärztliche und zahnärztliche MVZ in der Rechtsform einer GbR betrieben werden, sind die gesetzlichen
Neuregelungen auch von Ärzten und Zahnärzten zu beachten, und zwar einerseits in Bezug auf bereits bestehende
Gesellschaften und andererseits in Bezug auf die Neugründung einer Gesellschaft.
Von besonderer Bedeutung sind folgende, ab 01.01.2024 geltende Regelungen:
- Die in der Rechtsprechung bereits anerkannte Rechtsfähigkeit der GbR wird gesetzlich normiert. Nimmt eine GbR am Rechtsverkehr teil, gilt sie als „rechtsfähige GbR“. Die Rechtsfähigkeit wird somit zum gesetzlichen Regelfall.
- Es wird gesetzlich klargestellt, dass die rechtsfähige GbR Träger ihres Gesellschaftsvermögens ist. Daher findet die Zwangsvollstreckung aus einem Titel gegen die Gesellschaft nur in deren Vermögen und nicht in das Vermögen der Gesellschafter statt.
- Es wird für die GbR ein beim zuständigen Amtsgericht geführtes Gesellschaftsregister eingeführt. Grundsätzlich besteht die freie Wahl für oder gegen die Eintragung in das Register. In bestimmten Fällen, etwa bei Eintragung in andere öffentliche Register oder bei Beteiligung einer GbR an einer GmbH, ist die Eintragung jedoch verpflichtend.
- Eine in das Gesellschaftsregister eingetragene GbR ist zwingend als „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ oder als „eGbR“ zu führen.
- Die GbR wird umwandlungsfähig im Sinne des Umwandlungsgesetzes. Nach einer vorherigen Registrierung als „eGbR“ kann eine GbR an einer Spaltung, Verschmelzung oder einem Formwechsel teilnehmen.