Aktuelle Entscheidungen im Medizinrecht

Zulassungsausschuss für Ärzte in Stuttgart ändert Spruchpraxis zur Überleitung von Anstellungsgenehmigungen auf ein MVZ
In einem Beschluss von Ende März 2023 hat der Zulassungsausschuss für Ärzte für den Regierungsbezirk Stuttgart entschieden, dass die für einen Vertragsarzt bestehende Anstellungsgenehmigung bei dessen Zulassungsverzicht zum Zweck seiner Anstellung in einem MVZ in Folge des Verzichts „im Huckepack mit auf das Medizinische Versorgungszentrum übergeht“.

Im Gegensatz hierzu hatte der Zulassungsausschuss in der Vergangenheit konsequent die Auffassung vertreten, dass die einem zugelassenen Vertragsarzt erteilte Anstellungsgenehmigung bei dessen Zulassungsverzicht untergeht, es sei denn, die Anstellungsgenehmigung wird vor dem Wirksamwerden des Zulassungsverzichts in eine Zulassung zu Gunsten der/des Angestellten umgewandelt und sodann von dieser/diesem für einen gewissen Zeitraum aktiv ausgefüllt.

Die „Huckepack-Lösung“, die bisher bereits in anderen KV-Bezirken von den dortigen Zulassungsausschüssen praktiziert wurde, wird nun auch vom Zulassungsausschuss für Ärzte für den Regierungsbezirk Stuttgart angewandt und wird voraussichtlich zukünftig auch von den anderen Zulassungsausschüssen im Bereich der KV Baden-Württemberg angewandt.

MVZ sind in einem Auswahlverfahren wegen partieller Entsperrung eines Planungsbereichs nicht nachrangig
In einem Urteil vom 25.10.2023 (B 6 KA 26/22 R) hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass die Nachrangregelung in § 103 Abs. 4 c Satz 3 SBG V in einem Auswahlverfahren nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs nicht anwendbar ist. Das BSG stellt in seiner Entscheidung klar, dass die Nachrangregelung nur für die Situation der Auswahl eines Praxisnachfolgers in einem gesperrten Planungsbereich gilt, nicht aber für den Fall der Vergabe einer Zulassung aufgrund partieller Entsperrung eines Planungsbereichs.

BSG verneint Selbstständigkeit eines „Pool-Arztes“ im vertrags(zahn-)ärztlichen Notdienst
In seinem Urteil vom 24.10.2023 (B 12 R 9/21 R) stellt das Bundessozialgericht fest, dass ein Vertragszahnarzt, der zwar nicht mehr über eine vertragszahnärztliche Zulassung verfügt, sich aber bei der Erbringung seiner regelmäßigen Notdienst-Tätigkeit in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung vorgegebene Organisation des vertragszahnärztlichen Notdienstes, auf deren Ausgestaltung er keinen substantiellen und erst recht keinen unternehmerischen Einfluss hat, einfügt, und seine Dienstleistung innerhalb eines von der KZV vorgegebenen äußeren Rahmens erbringt, eine sozialversicherungspflichtige, abhängige Beschäftigung ausübt.

Das Urteil des BSG hat massive Auswirkungen für die Ausgestaltung des durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen organisierten Not- bzw. Bereitschaftsdienstes.

Die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist nicht verbindlich im Verhältnis eines Patienten zu einer Kapitalgesellschaft als Leistungserbringer
Nach einem Beschluss des OLG Frankfurt vom 21.09.2023 (6 W 69/23) hat die GOÄ verbindlichen Charakter nur im Verhältnis zwischen Patienten und Ärzten, nicht aber im Verhältnis zwischen Patienten und Behandlern in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, etwa einer MVZ-GmbH. Demnach ist es beispielsweise einer MVZ-GmbH gestattet, mit Patienten im Rahmen von Behandlungsverträgen unabhängig von den Regelungen der GOÄ freie Honorarvereinbarungen zu treffen. Nicht eindeutig ist die Entscheidung hinsichtlich der Frage, ob das Gericht auch die Auffassung vertritt, die GOÄ sei auch für ärztliche Personengesellschaften, etwa Berufsausübungsgemeinschaften, die in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder einer Partnerschaftsgesellschaft betrieben werden, nicht verbindlich.

Planlose Vertragsselbstgestaltung kann zur Zulassungsentziehung führen
Nach einem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21.09.2022 (L 7 KA 4/20) muss ein Vertragszahnarzt bei Gründung einer Kooperation (hier einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft) ausreichenden juristischen Sachverstand einholen. Schafft der Vertragszahnarzt eine widersprüchliche Vertragslage auf dem Gebiet der privatrechtlichen Vertragsgestaltung ohne Hinzuziehung sachkundiger juristischer Unterstützung, verletzt er seine vertragszahnärztlichen Sorgfaltspflichten, die ihm hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der gewählten Kooperationsform obliegen.

Eine entsprechende Pflichtverletzung begeht nach Auffassung des Gerichts, wer „diffus“ „laienhaft“ und „planlos“ für Dritte (Behörden, Gerichte) unübersichtliche und widersprüchliche Verträge maßgeblich konzipiert und dadurch die Prüfung, ob die Kooperation rechtmäßig ist, erschwert. Ist insoweit von einer groben Verletzung vertragszahnärztlicher Pflichten auszugehen, kann dies zur Entziehung der vertragszahnärztlichen Zulassung führen.

Die Entscheidung sollte nicht nur von Vertragszahnärzten, sondern unbedingt auch von Vertragsärzten beachtet werden.

Nachrangige Berücksichtigung von MVZ im Zulassungsverfahren
Ist in einem Zulassungsverfahren eine Auswahl zwischen gleichwertigen Bewerbern zu treffen und handelt es sich bei den Bewerbern um einen freiberuflichen tätigen Arzt und ein mehrheitlich von Kapitalinvestoren geführtes MVZ, ist nach Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts (Urteil vom 14.09.2022 – L 12 KA 35/21) das MVZ nachrangig zu berücksichtigen. In den Urteilsgründen stützt sich das LSG Bayern auf die entsprechende Anwendung von § 103 Abs. 4 c S. 3 SGB V.

Versehentliches Versenden von medizinischen Daten kann zu Schadensersatz führen
Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 20.01.2023 – 11 U 88/22) stellt der rechtswidrige Versand medizinischer Gesundheitsdaten an einen falschen Adressaten einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung dar und kann zu Schadensersatzansprüchen führen.

Werbung mit garantiertem Behandlungserfolg
Wird mit Werbeaussagen der Eindruck erweckt, eine bestimmte zahnärztliche Behandlung gewährleiste einen sicheren Behandlungserfolg, kann dies einen Verstoß gegen § 3 Nr. 2 a des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) darstellen. Diese Auffassung begründet das Landgericht Bochum in einem Urteil vom 04.04.2023, Az. 14 O 113/22, mit dem Hinweis darauf, dass der Erfolg einer zahnärztlichen Behandlung von vielerlei Faktoren abhängt.

Die Entscheidung kann auch auf Werbung für ärztliche Behandlungen übertragen werden.

Unzulässigkeit von Werbung für Videosprechstunde
Nach einem Urteil des Oberlandgerichts Karlsruhe vom 22.12.2022, Az. 4 U 262/22, darf in einer Werbung für Videosprechstunden nicht der falsche Eindruck erweckt werden, eine Videosprechstunde könne immer und nicht nur bei bestimmten, eng begrenzten Indikationen in Anspruch genommen werden.

Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) tritt am 01.01.2024 in Kraft
Das MoPeG bringt grundlegende Änderungen des Personengesellschaftsrechts mit sich. Da viele Arzt- und Zahnarztpraxen sowie ärztliche und zahnärztliche MVZ in der Rechtsform einer GbR betrieben werden, sind die gesetzlichen Neuregelungen auch von Ärzten und Zahnärzten zu beachten, und zwar einerseits in Bezug auf bereits bestehende Gesellschaften und andererseits in Bezug auf die Neugründung einer Gesellschaft.

Von besonderer Bedeutung sind folgende, ab 01.01.2024 geltende Regelungen: